„Berge versetzen“: Chinas Propaganda-Film gegen die Uiguren (Uyghuren)

China zeigt kein Verständnis für die Kritik des Westens an Umerziehungslagern und der Unterdrückung von muslimischen Uiguren (Uyghuren). Im Propaganda-Film „Beyond the Mountains“ sorgt China für „Harmonie und Stabilität“ und fördert den Fortschritt.

Vielleicht ist ja wirklich alles nur ein „Angeblich“ riesengroßes Missverständnis, wie der Winzer Li Tianchong den englischen Untertiteln zufolge angeblich erzählt. Vielleicht verwechseln die Uiguren (Uyghuren) den Fortschritt ja tatsächlich nur deshalb mit

Unterdrückung, weil sie so viele Vorurteile haben. Dabei bescheren ihnen die Chinesen doch endlich so viele Entwicklungsmöglichkeiten, wie dem Propaganda-Film „Beyond the Mountains – Life in Xinjiang (Uyghuristan)“ zu entnehmen ist, der auf Youtube abrufbar ist. Der Sohn des Schafhirten wird Ballettschüler, die Frauen dürfen jetzt Fußball spielen, Schwangere werden im Krankenhaus kostenlos behandelt und die ganz Wagemutigen ziehen in die Großstadt Chengdu und verdienen dort richtig gut – 600 Dollar im Monat!

Mit dem Geld kann Mama wieder gesund werden und Papa sich ein Auto kaufen, berichtet die Arbeiterin stolz. Der Reporter schwärmt, (angeblich) die Provinz Xinjiang (Uyghuristan)sei endlich aus der Isolation heraus und in die Wachstumsdynamik hinein gekommen, das Tian Shan-Gebirge spiele dabei eine wichtige Rolle, allerdings müssten auch die Berge in den Köpfen überwunden werden – und jenseits, da wartet offenkundig das Paradies auf Erden. In Xinjiang (Uyghuristan) gilt es aus der Sicht der kommunistischen Regierung also „Berge zu versetzen“, und vor solchen Herkules-Aufgaben ist dem Reich der Mitte ja von jeher nicht bange.

Botschafter predigt „Harmonie und Stabilität“

Die chinesische Regierung erzählt halt leidenschaftlich gern „gute Geschichten“ über ihr Land im Allgemeinen und die Provinz Xinjiang (Uyghuristan) im Besonderen, und kann überhaupt nicht verstehen, warum das anderswo in der Welt dauernd kritisiert wird. Deshalb hat sich auch der chinesische Botschafter in Australien vor zwei Wochen auf einer pompösen Pressekonferenz furchtbar blamiert. Er behauptete, die Provinz Xinjiang (Uyghuristan), wo Tausende von Uiguren (Uyghuren)  in Umerziehungslagern eingesperrt sind und nach Ansicht von Menschenrechts-Experten einer Gehirnwäsche unterzogen werden, sei eine Gegend, wo „Wohlstand und Fortschritt“ herrschten, ein Land voller „Harmonie und Stabilität“.

Und was machten die australischen Journalisten daraus? Sie nannten die ganze Show „bizarr“, machten sich über Videos mit kitschigen Sonnenuntergängen lustig, feixten über die technischen Probleme und verwiesen einmal mehr darauf, dass die Uiguren  (Uyghuren) im eigenen Land wie Terroristen verfolgt werden. Dabei sind viele Chinesen wohl wirklich und ohne böse Absichten überzeugt davon, dass sie Ostturkestan mit viel Geld und Geduld in die Zukunft führen. Dass der Westen die Menschenrechte im Auge hat und sich mit den muslimischen Uiguren (Uyghuren)  solidarisch zeigt, erscheint den Propagandisten in Peking wohl eher seltsam und verblüffend als feindselig, zumal der Islam ja auch im Westen bei nicht wenigen als bedrohlich gilt.

 

Winzer träumt vom Brandy-Export nach Europa

In „Beyond the Mountains“ erscheinen die traditionsbewussten Uiguren (Uyghuren)  denn auch als Bremser und Eigenbrötler, die sich Jahrhunderte lang hinter ihren Bergen „verbarrikadiert“ haben und partout nicht raus wollen aus ihrem muslimisch geprägten „Mittelalter“. China dagegen sorgt für frischen Wind, für Frauenrechte, Kunst und Kultur, lässt die Kinder im Orchester spielen und den Winzer davon träumen, dass sein Brandy eines Tages auch in Europa auf den Tischen der Restaurants steht. Die „Neue Seidenstraße“ macht es möglich! Mit anderen Worten: Zwei Seiten reden vollkommen aneinander vorbei. Der Westen argumentiert moralisch und ethisch, China politisch und wirtschaftlich.

Gar nicht ungeschickt, wie die Propaganda das neue Leben in Xinjiang (Uyghuristan) inszeniert: Weinend berichtet die junge Modedesignerin, dass sie beinahe kein weißes Brautkleid tragen durfte bei ihrer Hochzeit, weil die rückständige Verwandtschaft dagegen gewesen sei. Die muslimischen Uiguren (Uyghuren)  stehen damit als eigentliche Unterdrücker da, ohne dass es eigens ausgesprochen wird. Und natürlich darf deren Kultur gepflegt werden, aber nur im Museum und der Handwerkskunst.

Im dargestellten „Land des Regenbogens“ bekommen die Vögel ein beschauliches Naturschutzreservat, die Gletscher werden vor dem Klimawandel geschützt, in den Baumwollfeldern arbeiten vollautomatische Unkrautentferner. Eine Kamera-Drohne fliegt durch Nebelschwaden über unberührte Hügel und Wasserflächen und nimmt blutrote Sonnenuntergänge auf – und das geschäftige Treiben auf der Stadtautobahn.

 

 

„Wir haben uns geändert“

Nur selten macht ein Satz stutzig: „Wir haben uns geändert, wirklich geändert“, gelobt einer der glücklichen, lachenden Zeitzeugen. Wir müssen uns alle ändern, das ist in der Tat die zentrale Botschaft dieses aufwändigen Werbefilms, dessen einzige Stärke nach Meinung von Youtube-Kommentatoren ist, dass er bis jetzt nur rund 15.000 Mal angesehen wurde.

China will mit allen Mitteln in die Zukunft, und zwar so schnell wie möglich. Diese Zukunft, so die Propaganda, ist voller Wohlstand und Wissenschaft. Wer ihr im Weg steht, gilt als engstirnig, rückständig, und – das wird mehr als deutlich – gefährlich. Tatsächlich stehen alle, die den Uiguren (Uyghuren)  beistehen, schnell unter Terrorismus-Verdacht, verweigern sie sich doch aus Sicht der Pekinger Führung der kommunistischen Fortschrittsutopie. Lauter Missverständnisse, die Kritiker in China schnell ins Arbeitslager bringen können.

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Quelle: https://www.br.de/nachrichten/kultur/propaganda-film-china-wirbt-fuer-sich-und-gegen-uiguren,SVIXrbu

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