So legt China NGOs an die Leine

Das chinesische Regime legt internationale Organisationen an die Kette. Die Polizei erhält künftig jederzeit Zugang zu den Büros ausländischer Organisationen.

Die in China herrschende Partei legt internationale Organisationen an die Kette. In der vergangenen Woche hat das gelenkte Parlament des Landes ein umstrittenes Gesetz zur Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen verabschiedet, das diese dem Ministerium für Öffentliche Sicherheit unterstellt. Betroffen sind Umwelt-, Menschenrechts- oder Frauengruppen, aber auch Stiftungen oder potentiell sogar die Handelskammern.

„Alle Organisationen müssen dem Gesetz folgen“, sagt Hao Yunhong, der zuständige Abteilungsleiter im Sicherheitsministerium, bei der Vorstellung des Gesetzes am Donnerstag. „Kein Land würde es einer Vereinigung erlauben, die nationale Sicherheit zu untergraben.“ Die Organisationen stünden demnächst unter Überwachung durch die Polizei.

Die Polizei erhält künftig jederzeit Zugang zu den Räumen und Akten der Büros ausländischer Organisationen. Diese dürfen nur Bankkonten verwenden, die unter der Kontrolle der Sicherheitsbehörden stehen. Aktivitäten, die den „Interessen Chinas“ schaden, sind verboten – darunter versteht die Regierung vor allem den uneingeschränkten Machterhalt der Kommunistischen Partei. Jeden Verstoß kann die Polizei mit einem mehrjährigen Bann bestrafen.

Unter Organisationen wie Greenpeace, Pekinger Schwulengruppen oder Rechercheuren zu Arbeitsrechtsverletzungen herrschen Gefühle vor, die von Unsicherheit bis zur Schockstarre reichen. „Unsere Kooperationspartner haben jeden Kontakt zu uns abgebrochen“, berichtet der örtliche Vertreter eines gemeinnützigen Vereins aus Deutschland. „Wir sind praktisch handlungsunfähig.“ Gerade chinesische Gruppen, die in politisch heiklen Bereichen aktiv sind, erhalten oft Geld von internationalen Organisationen. Das ist künftig jedoch illegal und gilt als Vorstufe zum Landesverrat.

Neues Gesetz ist Teil der Politik

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Bundespräsident Joachim Gauck und andere deutsche Politiker haben bei ihren jüngsten Besuchen in Peking eine Klarstellung verlangt, was das Gesetz für die Zusammenarbeit mit Deutschland bedeutet. Der internationale Druck scheint zumindest zu einer leichten Entschärfung der Endfassung des Gesetzes beigetragen zu haben. „Einige der jetzt beschlossenen Änderungen sind positiv“, sagt Michael Clauss, der deutsche Botschafter in Peking. „Allerdings stellen wir fest, dass die starke Fokussierung des Gesetzes auf Sicherheit, zahlreiche Genehmigungs- und Dokumentationspflichten und sonstige einengende Vorschriften unverändert geblieben sind.“ Deutschland hätte eine engere Abstimmung begrüßt. Aus Sicht von Experten ist das „Gesetz über inländische Aktivitäten ausländischer Nichtregierungsorganisationen“ ein typisches Beispiel für den Kurs von Präsident Xi Jinping: Dieser will das Denken der Chinesen auf breiter Linie unter die Kontrolle der Partei bringen. „Es fehlt ein attraktives eigenes Wertesystem“, sagt Kristin Shi-Kupfer, Politologin bei dem Chinaforschungsinstitut Merics in Berlin. Xi wolle die eigene Gesellschaft deshalb gegen Einflüsse von außen abschirmen. Das neue Gesetz ist Teil dieser Politik.

Xi regiert seit drei Jahren. Unter seiner Herrschaft hat die Kontrolle der Zivilgesellschaft wieder deutlich zugenommen, nachdem seine Vorgänger eine vorsichtige Öffnung zugelassen hatten. Die Partei hat offenbar Angst um ihre Macht: Das Wirtschaftswachstum sinkt, während die Mittelklasse immer selbstbewusster wird. Xi befürchtet offenbar, dass auch nur der Ansatz von politischen Reformen zu einer Kettenreaktion führt, die sich nicht mehr kontrollieren lässt. „Der Westen sollte sich von dem Wunschdenken verabschieden, dass es in China einen demokratischen Übergang geben könne“, sagt Shi-Kupfer. Westliche Organisationen können jedoch auch künftig auf „erwünschten“ Feldern aktiv sein, vermutet Shi-Kupfer. Dazu könnten beispielsweise Lebensmittelsicherheit oder häusliche Gewalt gehören.

Tatsächlich kann die Möglichkeit einer legalen Registrierung auch Vorteile bringen. Derzeit operieren Zehntausende von Vereinen in China in einer Grauzone. „Der Wortlaut des Gesetzes und die Praxis weichen in China oft genug voneinander ab“, heißt es aus einer deutschen Stiftung. „Im Guten wie im Schlechten.“ Das Gesetz gilt ab 1. Januar 2017, doch seine Anwendung beginnt jetzt schon schrittweise.

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